Sehr lebendig und manchmal auch romantisch
Das Ensemble "Klank" experimentiert mit Geräuschen • Von Edwin Platt


Das Kulturensemble verschafft den Gästen im Park des Klinikums Ost immer wieder kulturelle Hochgenüsse. Das zurzeit laufende "Lebendig!" mit dem Untertitel "Ein Projekt über das Romantische" gehört dazu. Vier Musiker der Formation "Klank" bestritten gleich mehrere Veranstaltungen zu richtiger/falscher Musik, die auch den Boden für die Abendveranstaltung "Gesänge der Frühe, Gesänge der Nacht" am Freitag ebneten.
Vormittags empfingen "Klank", das sind Tim Schomacker (Percussion), Hainer Wörmann(Gitarre), Christoph Ogiermann (Violine) und Reinhart Hammerschmidt (Kontrabass) Schulklassen zu "Richtig/Falsch". Dabei ging es um Geräusche und um Klänge. Einige dritte und vierte Klassen der umliegenden Schulen und die sechste Klasse der Sonder- und Förderschule im Ellenerbrokweg kamen.


"Klank" lässt die Kinder auf Matten Platz nehmen, auf denen Kartons mit Plastikstückchen, Murmeln, Gefäßen, chinesischen Essstäbchen, Luftballons und anderem liegen. "Damit machen wir Musik. Wir spielen euch mal ein Stück vor", begrüßen die vier Männer die Mädchen und Jungen. Schon schrabbt, knarrt, rubbelt und rührt es. Die Musiker sitzen in der Mitte auf dem Fußboden, verrenken sich, lassen die Instrumente ruhen und dafür die Alltagsgegenstände sprechen. "Musik besteht aus Geräuschen und Klängen. Musik sind organisierte Klänge", erklären sie. Hainer Wörmann wird für die Kinder zum Dirigenten. Zusammen üben sie verschiedene Geräusche. Erst jedes Geräusch für sich. Dann auf Handzeichen Folgen von Geräuschen. Sie lernen einen Klang durch den Raum wandern zu lassen, lernen Pausen zu halten und Töne dicht aneinander zu fügen. Nicht alle Kinder wollen organisiert klingen. Es schrappt und kichert, nicht nur in den Pausen.
Lehrerin Ute Janßen-Vogt musiziert mit den Kindern im Unterricht auf Orffschen Instrumenten, singt Lieder und tanzt mit ihnen. Bei "Richtig/Falsch" unterstützen studierte Musiker die Kinder in einem freien Verständnis von Musik, das Mut machen und anregen soll. Jetzt stehen die acht Kleinen mit "Klank" und Janßen-Vogt an der Wand und zischen, summen, brummen auf Handbewegungen ihres Dirigenten. Auf und nieder geht die Hand, je offener sie ist, je lauter wird es. Dann ist sie unten und zu.


Zur offenen Session am Abend kommen zwölf Erwachsene, die die Klangwelt mit Klank erforschen wollen. Mit den gleichen Mitteln, erweitert um Violine, Kontrabass und Gitarre, geht es darum, über Klänge mit anderen in Kontakt zu treten. Es wird auf Papierrollen geklopft, gezupft und experimentiert. Herrmann Memming, Senior aus Osterholz, probiert mit chinesischen Essstäbchen auf einer kleinen roten Plastikschüssel einen Rhythmus. Der bleibt unbeantwortet oder überhört, denn da sind noch viele andere aktiv. Memming sucht Neues, vielleicht lauteres. Andrea Köster aus Worpswede trommelt auf dem Kontrabass und Eva Beckert aus Osterholz rührt mit einer Papprolle in einem Karton. Ihr Schrappen und Klopfgeräusch nimmt Christoph Ogiermann von Klank auf und antwortet mit einem Brabbeln und Stakkatos der Geige. Gemeinsam werden alle laut oder schneller. Nach einer knappen Stunde ist es ruhiger und langsamer. Erschöpfung, Ende der Neugier oder Kopfschmerzen? Nach 75 Minuten ist Schluss. Ruhe. (...)


Weser-Kurier, 3. März 2011

 

 

Mit "Klank" auf fantasievolle Musikreise
Drei Tage übt das Profiquartett mit Viertklässlern aus Marßel ein Konzert auf Alltagsgegenständen ein • Von Iris Messerschmidt


Grundschulkinder eine Schulstunde lang in absolut ruhige, gespannt lauschende Stille versetzen - das scheint heutzutage ein schwierige Aufgabe. Nicht so, wenn die Gruppe KLANK in der Grundschule Landskronastraße weilt. Drei Tage lang übten sie mit Viertklässlern ein Konzert ein, fünf Minuten vor Aufführung stand erst der Titel fest: "Tricks oder die Fantasie der leisen Klänge". Ein Erlebnis, das alle in seinen Bann zog.


Als Quartett improvisieren Reinhart Hammerschmidt, Christoph Ogiermann, Tim Schomacker und Hainer Wörmann schon lange frei. In der Marßeler Grundschule an der Landskronastraße sind sie drüber hinaus ebenfalls keine Unbekannten mehr. Verschiedenste Projekte, wie beispielsweise "Ventil II", ein abendfüllendes Groß-Gruppen-Konzertereignis im September 2008 in Zusammenarbeit mit der Grundschule Landskronastraße, sind nur einige ihrer kompositorischen Wege, um zeitgenössischer Kunst beziehungsweise Musik einen öffentlichen Weg zu ebnen.


Ebnen wollen die veir KLANK-Akteure allerdings auch dem Nachwuchs einen neuen beziehungsweise eigenen Weg zu fantasievoller Bewegung und Musik. Da jedoch auch dem größten Engagement die finanzielle Machbarkeit gegenübersteht, kamen die vier Musiker dieses Mal "nur" drei Tage aus eigenem Antrieb und ohne Bezahlung und übten kurz - aber intensiv - mit der Klasse 4a ein Stück ein, das zuallererst einmal entstehen musste.
"Bringt doch mal etwas von zu Hause mit, das klingt", hieß die erste Aufgabe für die Viertklässler. Denn: Es sollten nicht die Kinder allein angesprochen sein, deren Eltern über genügend Mittel verfügen, um dem Junior die musikalische Erziehung zu ermöglichen. "Bei uns braucht niemand drei Jahre Violinenunterricht, um mitspielen zu können", erklärt Hainer Wörmann dazu die richtigen Hintergründe.


Vielmehr war jedes Kind gefragt - und vor allen Dingen, von allen die Fantasie angesprochen. So fanden dann auch große Pappen, Plastikflaschen mit Reis oder Erbsen gefüllt, Rasselketten, Dosen und allerhand weitere alltägliche Gebrauchsmaterialien ihren Weg in dieses konzertante Erlebnis. Ob aus Küche, Bad oder Wohnzimmer - auf der Bühne in der Marßeler Grundschule und in den Händen der Viertklässler wurden daraus fantasievolle Instrumente, die geschlagen, geschüttelt, gerüttelt oder aufgerissen eine ganze Fülle von lauten oder leisen Tönen für die zuhörenden Mitschüler preisgaben.
Im Übrigen: Die zuhörenden Mitschüler mussten nur kurz vor Beginn der Aufführung von Lehrer und Organisator Joachim Burkhardt zur entsprechenden Stille angehalten werden - schließlich sollte es ein Konzert der leisen Töne werden, "dazu muss man auch leise sein." Das war eine Dreiviertelstunde lang anschließend überhaupt kein Problem mehr. Im Gegenteil: Gespannte Erwartungshaltung, lauernde Oberkörper und eine von der Bühne gefesselte Blickrichtung kennzeichnete die Reihen der kleinen Zuhörerschaft - kaum ein Laut regte sich im Publikum, alle warteten  auf die Laute, die ihnen während des Konzertes zuteil werden sollten.
Die starteten schon fast spektakulär mit einer großen Papierrolle. Entrollt und links und rechts des Bühnenrandes von den KLANK-Mitgliedern festgehalten, verdeckte diese gerade den Körper der dahinter aufgebauten Viertklässler. Leise und kontinuierlich zerrissen sie jeweils das Stück vor sich, bis die ganze Schar mit lautem Aufschrei sichtbar war. Überhaupt sollte sich der Wechsel von Laut und Leise in diesem musikalischen Bewegungsspiel auf verschiedenste Weise wiederfinden.


Zum Schluss gab es für alle den wohlverdienten  Applaus und die zuhörenden Grundschüler erwiesen sich während der anschließenden Fragemöglichkeit als wissbegierige Zuschauer, löcherten die KLANK-Akteure mit Nachfragen zum vorher erlebten. "Ich bin immer wieder erstaunt, mit wie viel Ideen und Improvisationsmöglichkeiten die Gruppe KLANK agiert", zollte Schulleiter Ernst Nullmeyer Respekt.


Im Anschluss an das Konzert machten die KLANK-Akteure noch mal ganz deutlich: "Alles, was ihr gesehen und gehört habt, wurde mit den Schülern gemeinsam erarbeitet."


Die Norddeutsche, 27. November 2010